Sonntag, 17. Mai 2015

"Weit weg" - von Florian


Stille. Nein, ein leichtes Surren und Vibrieren. In der Ferne hört man metallische Geräusche. Der Raum ist recht kahl und besitzt drei kleine Bullaugen als Fenster. Wenn man hinaus blickt, nur schwarz. Nichts. Gewöhnen sich die Augen an die Schwärze, so erblickt man in der Ferne winzig kleine Punkte. 2435. Das Bergbauraumschiff hat gerade den Saturn passiert und ist auf dem Weg zu einem kleinen Asteroidengürtel, den sogenannten Zentauren. Obwohl die Raumschiffantriebe hoch entwickelt sind, dauert die Reise immer noch eine quälend lange Zeit. Langeweile. Noch vor ein paar hundert Jahren saßen die Menschen gebannt vor den Fernsehern und schauten der ersten Mondlandung zu. Jeder wollte Astronaut sein, das Universum bereisen, fremde Welten entdecken. Doch heute? Kann man froh sein, wenn man keinen Job im Weltraum-Business hat. Es ist harte Arbeit. Begleitet von einer sehr langen Reise. Kryoschlaf? Gibt es nicht. Hat bis jetzt noch nicht funktioniert und scheint auch in geraumer Zukunft nicht der Fall zu sein. Die Bezahlung ist gut. Aber zu
welchem Preis? Rund 15 Jahre unterwegs zu sein bringt viele Probleme mit sich. Die Familie auf der Erde, wenn man denn eine hat, lebt alleine weiter. Die Kinder wachsen mit nur einem Elternteil auf. Die Freundin oder Frau hat vielleicht schon jemand neues gefunden und lieben gelernt? Und nicht zu vergessen, die Reise kann auch tödlich enden. Trotz hoher Sicherheitsstandards kommt es immer wieder zu Unfällen, das bleibt nicht aus. Diese Bergbauraumschiffe sind mit das größte was der Mensch je erschaffen hat. Sie konnten natürlich nicht auf der Erde gebaut werden, sondern wurden in Einzelteilen im Orbit zusammengebaut. Sie sind nicht besonders hübsch und eher unförmig, da es aber im Weltraum keine Reibung gibt, ist das nicht weiter von Belang. Es ist ein riesiger Klotz. An dessen Seiten ragen in regelmäßigen Abständen unzählige kleine röhrenförmige Tunnel ab, an deren Enden sich Ringe in wahnsinniger Geschwindigkeit drehen, die Mannschaftsräume beziehungsweise die Hauptaufenthaltsräume. Warum sie das tun? Schwerkraft. Durch die hohe Drehgeschwindigkeit keine eine Art künstliche Schwerkraft erzeugt werden. Möchte man die Räume wechseln, muss man wohl oder übel schwebend in der Schwerelosigkeit manövrieren. Das führt häufig zu Problemen, neben Zusammenstößen mit Kollegen, schwebt das ein ums andere Mal Erbrochenes durch die Gänge. Eine undankbare Aufgabe für die Reinigungskräfte. Obwohl so ein Bergbauschiff riesig ist, nehmen die Teile in den sich die Menschen aufhalten nur sehr wenig Platz ein. Der mächtige eckige Hauptteil des Schiffs ist das Lager für die Rohstoffe, beziehungsweise Gerätschaften zum Abbau und kleinere Fabrikeinheiten die während der Rückreise die ersten Verwertungsschritte übernehmen. Bei bestimmten Asteroidengrößen kann eine Luke geöffnet werden und der Asteroid im Bauch des Schiffes bearbeitet werden, was um einiges sicherer ist, als eine direkte Landung. Auf so einem Schiff arbeiten etwa 1500 Menschen, davon sind allein 800 Mann für das Schiff an sich zuständig. Steuerung, Wartung, Köche, Reinigung und was sonst noch benötigt wird, um ein halbwegs vernünftiges Leben zu führen. Die eigentlichen Bergarbeiter sind nur rund 200 Männer. Einer von ihnen ist Jim. In seiner Gruppe wird er auch liebevoll „Jammer“ genannt, denn er hat einmal, bei dem Versuch einen Langstreckentransmitter zu bauen, die Schiffskommunikation lahmgelegt, was beinahe zu einer Totalkatastrophe führte und das Schiff fast mit einem Jupitermond zusammenstoßen ließ. Das ist schon lange her, doch es ist ihm immer noch peinlich. Bis heute hat er Bastelverbot und sitzt nun gelangweilt an seinem Schreibtisch und schaut aus dem Bullauge. In der Spiegelung des Glases sieht er plötzlich ein rotes Licht blinken und ein unangenehmes Geräusch ertönt. Alarm. Alarme tauchen hin und wieder auf und sind meist auch eher harmlos, außer an besagtem Tag. Für gewöhnlich gibt es technische Probleme, die relativ schnell behoben sind. Oder ein Objekt, meist irgendein Brocken, nähert sich dem Raumschiff. Der Alarm nervt Jim, meist stellt er sich als Nichtigkeit heraus und oft ertönt er genau dann, wenn er gerade schläft. Jim dreht mit den Augen und schlurft zum Pult, um nachzuschauen, um was es sich diesmal handelt. Auf dem Weg denkt er sich, ob sich schon wieder jemand übergeben hat und auf dem Erbrochenem ausgerutscht ist? Vielleicht hat er dabei ein Kabel rausgerissen und nun funktioniert der Luftfilter nicht? Oder jemand ist mit dem Kopf gegen ein Fenster gestoßen und hat ein Bullauge kaputt gemacht und nun haben wir einen Druckabfall? Jim hat meist zu viel Fantasie. Beim Pult angekommen, drückt er auf das große blinkende Ausrufezeichen. Wenigstens schaltet sich er Alarmton auf stumm. Ein Objekt nähert sich. Mal wieder so ein langweiliger Brocken, der eh wieder tausende Kilometer am Schiff vorbei fliegt, denkt sich Jim.

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